Afghanistan 1918
Legationssekretär Dr. Werner Otto von Hentig:
"Meine Diplomatenfahrt ins verschlossene Land"
Ullstein Kriegsbücher, Berlin-Wien, 1918.
"Von Afghanistan wußten wir, als wir es betraten,
wenig mehr als uns die spärlichen Zeichen der
Karte erzählen konnten. Wir waren zwar auf ein
Zusammentreffen mit der im allgemeinen fremden-
feindlichen Bevölkerung vorbereitet, glaubten
aber nicht an die Schauergeschichten, die rings
um die Grenzen erzählt wurden: Kosaken, denen
die Pferde beim Tränken weggelaufen waren, soll-
ten von den blutdürstigen Afghanen ohne Kopf
zurückgeschickt worden sein, und dergleichen
mehr. Wir wußten, das waren englische Märchen,
denn England hat ein Interesse daran, alle, die
ihm missliebig sind, vom Eintritt ins verschlos-
sene Land abzuschrecken.
...
Die Leute unterschieden sich in ihrem Äußeren,
bis auf die ganz weiße Baumwolltracht, wenig
von den Persern der Grenze. Sie begegneten uns
mit stummer Achtung, ohne kriecherische Unter-
würfigkeit.
...
Wohl kaum ein Monarch der älteren Geschichte,
jedenfalls keiner der modernen, verkörpert das
Staatswesen in seiner Person so ausschließlich
wie der König von Afghanistan. Er ist für das
Land alles: der Herrscher, dessen Befehle in
den Glutwüsten Beludschistans, vierzig Tage-
reisen von Kabul, in dem unwegsamen Hochgebirge
des Hindukusch und des Pamir, in der trostlosen
Turkmenensteppe mit einer Achtung befolgt werden,
als ob Seine Majestät mit gezogenem Schwert dabei
stände, die Ausführung zu überwachen. Ihm gehört
sozusagen das ganze Land, dessen Obereigentum er
auch rechtlich in Anspruch nimmt. Ihm gehört je-
des Landeskind; ohne weiteres darf er für seine
Armee oder seinen Harem es fordern. Regalien und
Monopole, die in früheren Mittelaltern unseren
Kaisern und Königen, nur schwer bestritten, zu-
gestanden wurden, gehören ihm fraglos und unum-
schränkt.
...
Dem Thron am nächsten steht der nur wenige Jahre
jüngere Bruder Habidullahs, Nasrullah, der den
Titel Naib-ed-Saltaneh, Statthalter des Reiches,
führt; wir würden Reichskanzler sagen. Er ist ein
Fürst von tiefstem religiösem Gefühl, der, wie er
mir in stillen Stunden einmal erzählte, am liebsten
sein Leben als ein Derwisch für den Islam kämpfend
hingeben würde. Da ihm das Geschick nun einmal sei-
nen hohen Rang beschieden hat, so sucht er von hier
aus alles, was er vermag, zu tun, um das religiöse
Zusammengehörigkeitsgefühl sowohl der afghanischen
Volksstämme wie der großen islamischen Nationen
zu stärken.
...
Nicht nur in der Theorie, auch in Wirklichkeit war
Afghanistan ein Pufferstaat. Dieses mit seinen Ge-
birgen und Wüsten zu Auffangen selbst starker Stöße
besonders geeignete Land war dazu bestimmt, den Zu-
sammenprall zwischen England und Rußland in Mittel-
asien zu verhindern. .... Engländer und Russe warben
gleichmäßig um den Emir. Die Engländer, die ihn mehr
fürchteten, in noch höherem Grade als der Zar. Sie
waren sich dessen wohlbewußt, daß der einzige, der
die Brandfackel nach Indien schleudern könne, der
Emir sei. Mit jedem nur denkbaren Mittel versuchten
sie deshalb, ihn in ihre Machenschaften zu verstrik-
ken. Es gelang ihnen aber nicht, und es wird ihnen
auch nicht gelingen, ihn zu benutzen, wenn sie selbst
noch so oft in ihrer Presse angebliche Ergebenheits-
erklärungen des Königs wiederholen, die sie denen
ihrer indischen Vasallen möglichst anzugleichen suchen."
Die erfolglosen Feldzüge der Engländer gegen Afghanistan
im 19. Jahrhundert müssen die europäischen Zeitgenossen
stark beeindruckt haben. So entstand nicht nur ein Ge-
dicht von Rudyard Kipling zu diesem Thema, sondern auch
ein Text von Theodor Fontane (1819-1898), die das Elend
des Krieges in einem unwirtlichen Land beschreiben, in
dem die Ausländer schon damals nichts zu suchen hatten.
Auch der politische Journalist und Buchautor Karl Marx
berichtete zu dieser Zeit über Persien und Afghanistan.
Das Trauerspiel von Afghanistan
Eine Ballade
Der Schnee leis stäubend vom Himmel fällt,
Ein Reiter vor Dschellalabad hält,
"Wer da!" - "Ein britischer Reitersmann,
Bringe Botschaft aus Afghanistan."
Afghanistan! Er sprach es so matt;
Es umdrängt den Reiter die halbe Stadt,
Sir Robert Sale, der Kommandant,
Hebt ihn vom Rosse mit eigener Hand.
Sie führen ins steinerne Wachthaus ihn,
Sie setzen ihn nieder an den Kamin,
Wie wärmt ihn das Feuer, wie labt ihn das Licht,
Er atmet hoch auf und dankt und spricht:
"Wir waren dreizehntausend Mann,
Von Kabul unser Zug begann,
Soldaten, Führer, Weib und Kind,
Erstarrt, erschlagen, verraten sind.
Zersprengt ist unser ganzes Heer,
Was lebt, irrt draußen in Nacht umher,
Mir hat ein Gott die Rettung gegönnt,
Seht zu, ob den Rest ihr retten könnt."
Sir Robert stieg auf den Festungswall,
Offiziere, Soldaten folgten ihm all',
Sir Robert sprach: "Der Schnee fällt dicht,
Die uns suchen, sie können uns finden nicht.
Sie irren wie Blinde und sind uns so nah,
So lasst sie's hören, dass wir da,
Stimmt an ein Lied von Heimat und Haus,
Trompeter blast in die Nacht hinaus!"
Da huben sie an und sie wurden's nicht müd',
Durch die Nacht hin klang es Lied um Lied,
Erst englische Lieder mit fröhlichem Klang,
Dann Hochlandslieder wie Klagegesang.
Sie bliesen die Nacht und über den Tag,
Laut, wie nur die Liebe rufen mag,
Sie bliesen - es kam die zweite Nacht,
Umsonst, dass ihr ruft, umsonst, dass ihr wacht.
"Die hören sollen, sie hören nicht mehr,
Vernichtet ist das ganze Heer,
Mit dreizehntausend der Zug begann,
Einer kam heim aus Afghanistan."
Theodor Fontane (1859)
Kommentar des Herausgebers vom 16.12.07:
Anfang Dezember 2007 erschien auf einer islamischen
Website die Meldung, dass eine Gruppe von Taliban-
Kämpfern, die nördlich von Kabul einen Anschlag auf
fremde Truppen verübt hatte, sich auf dem Weg nach
Kabul befand. Die Kabuler Anschläge der letzten Tage
gehen möglicherweise auf das Konto dieser Gruppe. WW
19.12.2007 Al-Jazeera:
Der U.S. Senat beschließt ein Budget von
70 Milliarden Dollar für die Kriegsführung
in Afghanistan und im Irak.
"Wenn ein Kolonialwarenhändler in seinem
kleinen Laden so viele Dummheiten und Fehler
machte wie die Staatsmänner und Generäle in
ihren großen Ländern, wäre er in spätestens
vier Wochen bankrott." - Erich Kästner -
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Afghanistan 2007
"Weihnachtsansprache 2007" von Al-Qaeda-Chef
Oussama Bin Laden, zusammengestellt aus den
deutschen Untertiteln zum Original-Soundtrack.
Die Videodatei (Originalton und Untertitel) vom
2.12.2007 wurde von einem einschlägig bekannten
islamischen Medienzentrum verbreitet.
" Alles Lob gebührt Allah, der die Geschöpfe nicht
sinnlos erschuf und sie nicht ziellos ließ. Er er-
schuf sie, damit sie Ihm dienen. So gehorchten Ihm
die Vernünftigen, und widersetzt haben sich nur die
Widerwilligen.
Meine Botschaft ist gerichtet an die Völker der Koa-
litionspartner der Amerikaner im Afghanistankrieg,
insbesondere gerichtet an die Europäer.
Friede sei mit jenen, die der Rechtleitung folgen.
Euch dürfte nicht entgangen sein, dass das afghanische
Volk zwei Jahrzehnte durch die Russen und ihre kommu-
nistischen Agenten das Bittere zu spüren bekam. Doch
es kämpfte, war geduldig, blieb standhaft und siegte
durch Allahs Gnade. Bevor die Wunden geheilt waren und
die Trauer erloschen war, haben eure ungerechten Regie-
rungen es erneut zu Unrecht angegriffen, ohne über die
Behauptungen Bushs, der Krieg sei eine Antwort auf die
Anschläge vom 11. September, nachzudenken. Während in
Wahrheit, wie ich schon zuvor erwähnt habe, die Anschläge
von Manhattan eine Antwort auf die Tötung unserer Ange-
hörigen in Palästina und Libanon durch die amerikanisch-
israelische Allianz waren.
Ich bin der Verantwortliche für diese Anschläge
und bestätige, dass alle Afghanen, Regierung sowie
das Volk, überhaupt kein Wissen über die Anschläge
hatten, und die Amerikaner wissen dies. Sie nahmen
einige Minister der Taliban gefangen, und nach
den Verhören wurde ihnen dies klarer. Aufgrund des
Unwissens verlangten die Taliban vor der Invasion
Beweise von den Amerikanern, die ihre Vorwürfe
bestätigten. Doch konnten diese keine vorlegen.
Stattdessen beharrten sie darauf, Krieg zu führen.
Europa folgte den Amerikanern in den Krieg, und
ihm bleibt keine andere Wahl als den Amerikanern
zu folgen. Es reicht als Grund, dass ihr in den
Krieg mitgezogen seid. Sodann auch eure Amnestie
für die amerikanischen Soldaten, die vor europä-
ischen Gerichten zur Rechenschaft gezogen werden
könnten.
Aus diesem Grund ist diese Botschaft an das Volk und
nicht an seine Politiker gerichtet. Längst ist deutlich
geworden, dass Blair, Brown, Berlusconi, Aznar, Sarkozy,
ihre Mitläufer und ihresgleichen es lieben, im Schatten
des Weißen Hauses zu hausieren. Es ist kein großer und
nennenswerter Unterschied zwischen ihnen und vielen
Regierenden in der dritten Welt. Zusammengefasst, habt
ihr in diesem Krieg zwei Ungerechtigkeiten vereint.
Erstens: Dieser Krieg wurde gegen das afghanische Volk
zu Unrecht geführt, und ihr hattet keinen einzigen
Beweis, den man einem Gericht vorweisen könnte. Deswei-
teren habt ihr Militärstützpunkte der Al-Qaeda zerstört,
einige ihrer Mitglieder getötet und andere festgenommen,
die meisten von ihnen aus Pakistan.
Was ist also die Sünde des afghanischen Volkes,
diesen ungerechten Krieg weiterhin fortzuführen?
Sie haben keine Sünde, außer dass sie Muslime
sind, und dies zeigt das Ausmaß des Hasses der
Christen gegenüber dem Islam und den Muslimen.
Zweitens: In diesem Krieg habt ihr euch nicht an die
Moral des Krieges und an seine Regeln gehalten. Die
meisten seiner Opfer, bewusst Frauen und Kinder, sind
das Ergebnis eurer Bombardierungen. Ihr wisst, dass
unsere Frauen nicht kämpfen, doch habt ihr sogar an
Tagen von Feierlichkeiten bewusst und gezielt getötet,
um somit die Moral der Mudjahidin zu brechen. Doch
brachte euch dies keinen Vorteil. Wir bleiben standhaft
und werden weiterhin durch Allahs Gnade uns bei den
Ungerechten rächen und die Besetzer vertreiben.
Ich habe solche Vorfälle selbst erlebt, die weiterhin
täglich an der Tagesordnung sind. Die Krankenhäuser
sind mit unschuldigen Zivilisten gefüllt. Ihr habt
weder eine Religion, Moral, Menschlichkeit, noch habt
ihr Scham.
Wisset, dass das afghanische Volk ein muslimisches
und religiöses Volk ist. Es ist gastfreundlich, mutig,
lehnt Ungerechtigkeit und Erniedrigung ab und unter-
wirft sich nicht dem Besetzer. Seine Geschichte ist
voll von Standhaftigkeiten und Siegen. Es bekämpfte
die Briten in ihren stolzen Tagen und bezwang sie
durch Allahs Gnade. Es bekämpfte die Russen, auch
in ihren stolzen Tagen, und bezwang sie durch Allahs
Gnade. Heute kämpft es gegen die Amerikaner und ihre
Agenten unter der Führung des Führers der Gläubigen
Mullah Omar, möge Allah ihn beschützen, und des Ober-
kommandierenden Al-Haggi Mansur Dadullah. Möge Allah
sie schützen und ihnen Standhaftigkeit verleihen.
Zum Schluss erinnere ich euch, dass der Vorstoß
der Amerikaner durch Allahs Gnade seinen Rücklauf
nimmt, und sie werden über den Globus hinweg zurück
nach Hause kehren und uns den Nachbarn hinterlassen,
um unter uns unsere offenen Rechnungen auszugleichen.
Es ist besser für euch, euren Politikern, die ständig
im Weißen Haus ein- und ausgehen, unter die Hand
zu greifen und euch ernsthaft zu bemühen, diesem
Unrecht ein Ende zu bereiten. Die Gerechtigkeit ist
angebracht, die Ungerechtigkeit ist eine Strafe, und
die Rückkehr zum Recht ist ein Zeichen der Vernünf-
tigen. Und Friede sei mit jenen, die der Rechtleitung
folgen."
Aktualisierung der Gefallenenstatistik (Afghanistan):
Al-Jazeera beziffert die Gesamtzahl der Todesfälle
am Ende des Jahres 2007 auf ungefähr 1000 (31.12.07),
was einer deutlichen Steigerung in 2007 entspricht.
Al-Jazeera (5.1.08): Bereits 42 Tote seit Jahresbeginn.
Die afghanische Regierung bittet um Lebensmittelspenden.
Al-Jazeera / CNN (10.1.08): Das Pentagon plant die
Entsendung von weiteren 3000 Marinesoldaten.
Im Zweifel töten (FOCUS 16.12.07)
Wenn die Festnahme von gejagten Taliban-Anführern ein
zu hohes Risiko bedeutet, greift die Nato-geführte
Isaf-Schutztruppe in Afghanistan auch zum Mittel der
gezielten Liquidierung. Die Bundeswehr beteiligt sich
an diesen Missionen nicht, doch die Deutschen sind mit
Aufklärungsflugzeugen und bei der Planung im Bündnis
dabei.
"An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die
schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht
verhindern." - Erich Kästner -
Übrigens: Die Bundeswehr testet in Afghanistan
ein brandneues Waffensystem mit der Bezeichnung
IdZ-ES, mit dem eine Gruppe von jeweils zehn
Soldaten ausgerüstet werden kann. Ein System
kostet dabei 25 Millionen Euro. Die ausführliche
Beschreibung des Waffensystems findet sich auf
einer chinesischen Website vom 25.12.2007.
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